Der „Masterplan Migration“ und die Einführung der ANKER-Zentren
Mit dem sogenannten „Masterplan Migration“ 1 der Bundesregierung wurde 2018 die Einführung der sogenannten ANKER-Zentren (Ankunft – Entscheidung – Rückführung) auf den Weg gebracht. Damit machte der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer die bereits seit 2015 in Bayern bestehenden Transitzentren und Sonderlager zum „Exportschlager“ der Asyl- und Integrationspolitik auf Bundesebene.
Die Sonderlager mit dem Namen „Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen (ARE)“ waren in Manching/ Ingolstadt und Bamberg seit 2015 für die Asylverfahren von Personen aus „sicheren Herkunftsländern“ und später auch für Personen mit einer sogenannten schlechten Bleibeperspektive zuständig.2
2017 wurden die regulären Erstaufnahmeeinrichtungen in Deggendorf und Regensburg, sowie die Sonderlager Manching /Ingolstadt und Bamberg in Transitzentren umgewandelt. Nun wurden auch Flüchtlinge aus Afghanistan, Nigeria, Sierra Leone, Äthiopien und der Ukraine in diesen Sonderlagern in Schnellverfahren abgefertigt und mit schlechten Lebensbedingungen auf lange Zeit traktiert.
Ab August 2018 wurden die regulären Erstaufnahmeeinrichtungen in Zirndorf, Schweinfurt und Donauwörth und die schon bestehenden Transitzentren in ANKER-Zentren umgewandelt. Seitdem werden alle neu in Bayern registrierten Asylsuchenden einem ANKER-Zentrum zugewiesen. Derzeit müssen rund 9.000 Personen in den bayerischen ANKER-Zentren leben. Bundesweit gibt es lediglich noch in Sachsen und im Saarland Einrichtungen, die diese Bezeichnung tragen. Alle weiteren Bundesländer sind dem Plan der Eröffnung von sogenannten ANKER-Zentren mit dem Verweis auf strukturell vergleichbare Erstaufnahmeeinrichtungen bisher nicht gefolgt.
ANKER-Zentren in Bayern
In Bayern gibt es derzeit sieben ANKER-Zentren – eines in jedem Regierungsbezirk. Erweitert werden diese durch insgesamt 21 Dependancen:
Oberbayern | Manching/Ingolstadt | Ingolstadt Manchingerstraße Ingolstadt Marie-Curie-Straße Ingolstadt Neuburgerstraße München Funkkaserne München Am Moosfeld Garmisch Waldkraiburg Fürstenfeldbruck |
Niederbayern | Deggendorf | Hengersberg Osterhofen Stephansposching |
Oberpfalz | Regensburg Zeißstraße | Regensburg Pionierkaserne Schwandorf |
Oberfranken | Bamberg | – |
Mittelfranken | Zirndorf | Nürnberg Beuthener Straße Nürnberg Witschelstraße Roth Neuendettelsau |
Unterfranken | Schweinfurt/ Geldersheim | – |
Schwaben | Donauwörth (geschlossen Dezember 2019) Seit Januar 2020 in Augsburg Behördenzentrum mit Kurzunterbringung | Inningen Mering Augsburg Neu Ulm (Kempten ab 2020) |
Total | 7 Zentren | 21 Dependancen |
Unterschiedliche Handhabung der ANKER-Zentren in den jeweiligen Regierungsbezirken
Die Handhabung der Regierungsbezirke in Bezug auf die ANKER-Zentren, wie auch die Praxis in den einzelnen Lagern selbst, gestaltet sich sehr unterschiedlich. Die angekündigte Beschleunigung der Asylverfahren kann nicht pauschal festgestellt werden. Denn die Dauer der Gerichtsverfahren hat sich nicht verkürzt. Gleichzeitig kann von einer schlechteren Qualität der Entscheidungen des Bundesamts ausgegangen werden – nicht zuletzt verursacht durch zu schnelle Anhörungen des BAMF sowie den erschwerten Zugang zu Beratungsangeboten, zu fachärztlichen Attesten und zu ehrenamtlicher Unterstützung.
Die im sogenannten „Masterplan Migration“ versprochene Bündelung der Behörden und Flüchtlinge an einem Ort, die einen schnellen und reibungslosen Ablauf der Asylverfahren gewährleisten soll, wird nicht zuletzt durch die Dependancen ad absurdum geführt. Denn alle im Asylverfahren relevanten Behörden, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Ausländerbehörden, Rechtsantragsstellen der Gerichte und Sozialämter, sind nur in den sieben ANKER-Zentren vor Ort, nicht aber in den Dependancen.
Die rechtliche Grundlage von ANKER-Zentren
Eine rechtliche Grundlage für die ANKER-Zentren war bislang nicht gegeben. In dem sogenannten „Masterplan Migration“ werden politische Vorgaben formuliert, wie etwa eine Verbleibdauer bis zu maximal 18 Monaten. Eine rechtliche Entsprechung hierfür war bislang in den § 44–54 AsylG, welche die Erstaufnahme von Asylsuchenden regeln, nicht vorhanden. Die Anwendung dieser rein politischen Erklärungen ist als rechtswidriges Handeln zu werten3. Warum hier Politik außerhalb der Rechtsstaatlichkeit betrieben wurde, rechtfertigte das Bundesinnenministerium mit einer 12- bis 18-monatigen Pilotphase. In einer anschließenden Evaluierung sollte der konkrete Rechtsänderungsbedarf dann ermittelt werden4. Am 7. Juni 2019 wurde im Rahmen der Abstimmung über das sogenannte „Gesetz zur geordneten Rückkehr“ auch die gesetzliche Änderung der Unterbringungsdauer auf 18 Monate verabschiedet, ohne dass die angekündigte Evaluation durchgeführt wurde.
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