Mit der flächendeckenden Einrichtung von Übergangsklassen in Regelschulen reagierten die Länder auf die Forderung, ankommenden Kindern und Jugendlichen den Einstieg in das deutsche Bildungssystem zu ermöglichen. Die Umsetzung ist allerdings kritisch zu betrachten: beispielsweise ist es für die Jugendlichen oft sehr schwer, einen höheren Schulabschluss zu erreichen, da die Übergangsklassen nur an Grund-, Mittel- und Berufsschulen eingerichtet wurden und nicht an Realschulen oder Gymnasien.
An einigen bayerischen ANKER-Zentren und Dependancen wurde beschlossen, nicht auf die bestehenden Strukturen der Übergangsklassen zurückzugreifen. Stattdessen wurde eine Parallelstruktur in den Lagern aufgebaut, um Kindern und Jugendlichen dort eine schulische Bildung zu ermöglichen.
Argumentiert wird hierbei mit den besonderen Bedürfnissen und den sprachlichen Hürden. Doch auch wenn nachweislich genügend Sprachkenntnisse vorhanden sind, wird der Besuch der Regelschule meist nicht gewährt. Die Unterrichtsinhalte in den ANKER-”Schulen”sind basal. Es erfolgt oft keine angemessene Einteilung der Kinder nach Alter und Wissensstand. Des Weiteren gibt es keine Zeugnisse und es kann keinerlei Abschluss erzielt werden. Dies wäre nur an einer Regelschule möglich, deswegen geht Kindern und Jugendlichen wichtige Zeit verloren.
Dabei ist das Recht auf Bildung für Kinder und Jugendliche in Deutschland – und somit auch in Bayern – durch verschiedene Konventionen und Grundrechte festgeschrieben.
So spricht Art. 28 UN-Kinderrechtskonvention jedem Kind das Recht auf Bildung zu und verpflichtet zum Grundschulbesuch. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) schreibt in Art. 2 des ersten Zusatzprotokolls fest, dass „niemandem […] das Recht auf Bildung verwehrt werden“ darf. In Bezug auf Geflüchtete verpflichtet die EU ihre Mitgliedstaaten, „minderjährigen Asylantragsstellern in ähnlicher Weise wie den eigenen Staatsangehörigen den Zugang zum Bildungssystem“ (Art. 14 Abs. 1 EU-Aufnahmerichtlinie) zu gewähren – und zwar spätestens drei Monate nach der Asylantragsstellung. „Ist der Zugang zum Bildungssystem […] aufgrund der spezifischen Situation des Minderjährigen nicht möglich, so bietet der betroffene Mitgliedstaat im Einklang mit seinen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten andere Unterrichtsformen an.“ (Art. 14 Abs. 3 EU-Aufnahmerichtlinie)
Die Schulpflicht ist in Deutschland Ländersache. In Bayern ist sie mit einer Dauer von zwölf Jahren sogar relativ strikt geregelt und schließt auch die Berufsschulpflicht ein. Für Asylsuchende und Geduldete gilt die Schulpflicht nach Art. 35 Abs. 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) explizit nach drei Monaten. Die schulischen Einrichtungen in den Lagern sind nicht für einen dauerhaften Besuch ausgelegt. Kinder verbringen allerdings allzu oft mehrere Monate oder auch Jahre in diesen Unterkünften. Es wird deutlich, dass das Konzept der Lagerbeschulung vor allem der Isolierung dient. Nicht zuletzt wird mit dieser Praxis auch die Umsetzung von einer gesetzlich verankerten „ausgewogenen Zusammensetzung der Klassen“ (Art. 42 Abs. 1 BayEUG) in den Regelschulen verhindert. Kindern und Jugendlichen die Chance zu nehmen, gemeinsam zu lernen und in Kontakt zu treten, ist für alle von Nachteil. Hier werden Bildungschancen und Wege in eine vorurteilsärmere Gesellschaft blockiert.